Bevor ich das Thema Bindung bewusster in meine Arbeit integrierte, fiel mir über die Jahre in meiner Tätigkeit als Körpertherapeutin immer wieder auf, daß einige meiner KlientInnen zwar zu mir kommen, weil sie einen intensiven Wunsch und vielleicht auch ein schmerzhaftes Symptom haben, das nach Berührung rief, aber ihr Nervensystem mir etwas gänzlich anderes erzählte. Nämlich: ‚Geh weg!‘
Bei anderen wiederum, die der körperlichen Nähe eher reserviert oder gar abgeneigt gegenüber stehen, schreit ihre ‚frühe Realität‘ förmlich: „Bitte! Halt mich!“
Bei beiden Beispielen, die sich in der Realität natürlich nicht immer so eindeutig abbilden, zeigen sich zum einen das Kompensationsmuster (in Verhalten und körperlicher Realität: Hoher Muskeltonus, Rigidität, wenig Lebendigkeit und entweder parasympathisch heruntergefahren oder aktiviert.) und zum anderen der frühen Verletzung, über das sich das Kompensationsmuster wie eine Ritterrüstung gelegt hat (um zu überleben bzw. mit der Umwelt, in der es lebt bzw. hineingeboren wurde klar zu kommen.)
Für geübte Spürmenschen ist dies zum einen konkret sicht-, aber auch erfahrbar: Im ersten Beispiel laufe ich gegen eine unsichtbare Wand und im Zweiten kann ich im Grunde nicht nah genug sein, obwohl die dazugehörige Kompensationsstruktur mich vielleicht ‚zähnefletschend‘ abwehrt.
In meiner Anfangszeit als Therapeutin, habe ich dies wahrgenommen, aber bin auch noch meiner eigenen Konditionierung, meinem eigenem Kompensationsmuster gefolgt: Eine brave (Tochter) Therapeutin sein und einen ‚guten Job‚ machen. Was zur Folge hat, dass der Mensch bzw. sein Körper zu einem Objekt reduziert wird, mit dem ich, in meiner Rolle, etwas mache.
Jetzt arbeite ich, besonders in Bezug auf Entwicklungstrauma und Bindung, mit Begegnung als Therapie, denn in der Art wie dieser (therapeutische) Kontakt, wie Beziehung gestaltet ist, liegt eine sehr grundlegende Heilung. Heilung unserer Basis in Bezug auf Beziehung. Zu Dir Selbst, zu Deinen Nächsten. So gibt es auch die Möglichkeit GANZ hier, in Deinem Körper und auf diesem Planeten anzukommen, denn das ist für ganz viele von uns, bei denen schon unter der Geburt etwas nicht rund gelaufen ist der Fall: Wir konnten gar nicht in Ruhe landen. Das führt zu Fragmentation. Ein Teil von uns bleibt immer wie ein Ballon ausserhalb von uns im Ether hängen (dissoziiert) oder kontrahiert sich und seine Lebenskraft ganz stark nach innen.
Früherinnerungen wirken aus dem Leibgedächtnis in unsere Gegenwart hinein.
Ludwig Janus schreibt in seinem Buch ‚Wie die Seele entsteht‘:
Wir erleben unsere Gegenwart im Spiegel der Erfahrung auf unseren frühen Lebensebenen.(…) Früherinnerungen haben die Doppeleigenschaft sich einerseits zu entziehen und andererseits überaus gegenwärtig zu sein.
Diese Früherinnerungen sind im impliziten Gedächtnis gespeichert. Auf diese haben wir bewusst keinen Zugriff, sie wirken aber weiterhin kraftvoll in unser Leben hinein. Das kann zu Verwirrung und Selbstbestrafung führen: Dann gibt es scheinbar keine Erklärung, warum diese Beziehung schon wieder in die Brüche gegangen ist, obwohl Du Dich doch so bemüht hast; warum der neue Partner genauso kühl und abweisend oder klammernd wie der Letzte ist, warum Beziehungslosigkeit und Isolation scheinbar der einzige Weg für Dich ist…