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Wenn es keinen Ausweg mehr gibt, öffnet sich der Weg nach Innen

Wenn es keinen Ausweg mehr gibt, öffnet sich der Weg nach Innen.

In den letzten 24 Monaten

ist viel in Bewegung geraten, während im Aussen Vieles zum Stillstand kam.

„Eine neue Situation? Eine Art Krieg, ohne Bomben? Eine große Transformation? Wohin? Was soll ich noch glauben? Ist das, was ich glaube wahr? Liege ich voll daneben?“

Viele Fragen, Ambivalenzen, Verunsicherungen und Überforderungen stehen wie unsichtbare Betonpfeiler, die wir eckig umschiffen, im Raum.

Was löst das in uns aus, wenn die kollektive Krise in den eigenen Raum eindringt?

Ich erlebe wie sich das in mir, in meinen KlientInnen und meinen Nächsten abbilden möchte. Was es auslöst und wie es sich in unsere Zellen schiebt, in unseren Atem, in unsere Träume. Wortlose Bedrängnis. Langsame, aber stetige Abstumpfung. Misstrauen im Kontakt. Ohne das wir es zunächst bemerken verlieren wir unsere Lebendigkeit. Unsere eigene, aber auch eine Lebendigkeit, die im Kontakt mit anderen zu fliessen beginnt.

Die kollektive Krise dringt in den eigenen Raum ein und stößt etwas an. Dies vibriert wiederum zurück in den kollektiven Raum. Es entsteht eine dynamische Bewegung der Reibung. Zermürbend, fordernd, nagend, irritierend. Manchmal lichtvoll, etwas Neues schon erahnend. Wie die Knolle im harten dunklen Winterboden, die einfach weiss, dass die Sonnenstrahlen, die sie wachsen und erblühen lassen schon kommen. Eigene Lebensthemen, können sich nicht mehr so leicht in die Ablenkung der Welt, der Normalität, flüchten. Das, was (vermeintlich) Halt, Orientierung oder Ablenkung gab‘, löst sich in der Reibung auf.

Das Heilungspotential ist enorm, denn wir berühren durch diese Reibung ursprünglichste frühe und transgenerationale Ängste, die viel Kraft binden, die aber in unser Leben hinein fliessen wollen. Tiefste wortlose Empfindungen und Erinnerungen an ein ‚ausgeliefert, hilflos und handlungsunfähig sein‘, an ‚Todesängste‘,  an ‚tiefste Einsamkeit‘ oder an ‚Schuldgefühle‘ werden angerührt.

Die Gefahr (in jedem krisenhaften Heilungsprozess) ist, der Reibung ausweichen zu wollen und der (Kopf-) Stimme der Angst zu folgen. Was macht das?

Im Kollektiv zeigt sich das in Form von Polarisierung und Spaltung; als tiefer Wunsch sich auf eine (die richtige) Seite zu schlagen; als verhärtete Fronten. Mir persönlich tut das weh, denn ich weiss, dass dies nur eine kurzlebige und verfälschte Form von Stärke bietet. Der Nenner ist doch in allen gleich: Angst. Sehnsucht nach Führung und Sicherheit. Wir müssen hierher zurück um wieder in versöhnliche Verbindung zu kommen.

Im Individuum zeigt sich das Folgen der Kopfstimme als Verhärtung und Widerstand gegen das eigene (vermeintliche) leidvolle, verletzbare, nackte Empfinden. Einer Ablehnung Deines Wesens aus Angst vor (erneuter) Beschämung oder dem ganz ursprünglichen Gefühl nicht bestehen zu können. Der Körper wird fest, zur reinen Funktion verdonnert.

Kontrolliert wird diese Verhärtung durch den Verstand. Er, der eigentlich nur ein Teil unseres Seins ist und gar nicht allein führen kann. Was passiert, wenn jemand nicht führen kann, aber muss? Er wird zum willkürlichen cholerischen Diktator. In uns sorgt er dafür, dass wir unser Unangenehmes, unsere Ängste wegdrücken bzw. auf andere projizieren. Er kann eben nicht begreifen, dass das Spüren keine Gefahr ist, sondern eine Rutschbahn in tiefe Lebendigkeit.

Konstantes Bewerten und Verurteilen, ständige Klagerei oder Selbstmitleid, aggressive, zynische Bemerkungen oder Gewalt sind auch Ausdruck des diktatorischen Wütens. Auf manchmal kaum wahrnehmbarer Ebene geschieht ein Verspannen gegen Dich selbst, eine Art von-Dir-selbst-Wegrecken als würdest Du gar nicht in Dir wohnen wollen.

Geteert wird das Ganze mit einer Unmenge an Geschichten und Glaubensmuster, die durch Angst und Abwehr pausenlos geschrieben werden. Weit entfernt von Deiner inneren Wahrheit. Die Kopf – Geschichten erkennst Du u. a. daran, dass sie meistens mit anderen zu tun haben (Schuldzuweisungen) oder einem zu Dir selbst sehr gemein sein. Und sie kommen mit Geschwindigkeit und Dringlichkeit.

Vielleicht triggert die Situation eine alte, frühe Angst in Dir, aber noch bevor Du sie erspüren kannst pflastert der Verstand ein paar Gedanken und Glaubensmuster darüber: „Warum hält die Frau hinter mir keinen Abstand. Dumme Kuh!“; der innere Kritiker fährt hoch und sagt zu Deinem Kind: “ Du hast wohl nur Luft zwischen den Ohren!“ Oder Du fährst deinen Partner, der gerade zur Tür reinstolpert scharf an und denkst gleichzeitig „Warum sieht er mich nicht mehr?“. Dabei hast Du Dich aus den Augen verloren. Möchtest Dein inneres Kind, das Regentropfen viel wertvoller als Mathe fand‘ und dafür beschämt wurde nicht spüren müssen…

Auf diese Art und Weise entsteht ein ständiges Ringen, Rennen und Kämpfen mit uns selbst und mit unseren Nächsten. Das ist nicht nur anstrengend, sondern sehr leidvoll.

Wie finden wir zurück zu einer weicheren, versöhnlichen, ganzheitlichen Verbundenheit mit uns selbst und anderen?

Die Antwort liegt nicht im Außen wie Du schon ahnst. Nicht auf der einen oder anderen Seite, sondern in einem JA zur Reibung oder wie Matthew Appleton (Cranio-und Pränataler Körperpsychotherapeut aus England) sagen würde:

Wholeness (…) is not a goal, but an unfolding path that is constantly orienting to the present moment! Ganzheitlichkeit is nicht ein Endziel, sondern ein sich entfaltender Weg der sich am gegenwärtigen Moment orientiert!

Dazu brauchen wir unsere wahrnehmende Leibhaftigkeit.

Wenn wir unsere wache Wahrnehmung in unseren Leib lenken und so auch wieder verkörpertes Sein werden, geschieht Anerkennung und Würdigung von allem was ist. Von allem, was in Dir ist. Schlimmes, Schönes, Abgestumpftes, Zartes.

Wahrnehmung ist nicht etwas, was man kann oder nicht. Sie ist eine Entscheidung und sie braucht Übung. Sie geschieht (nur) mit/durch unseren Leib: Ich beginne zu atmen. Das schafft Raum. Ich wache auf für den Raum, in dem ich bin. Ich bemerke, dass ich bin.

So löst sich der ständige Kampf der Fronten, der Dualität, auf. Der Weg nach Innen zum stillen Wunder der Liebe eröffnet sich und dann kann Dein wahres Selbst nach Aussen erstrahlen. Wie eine wunderbare Blume, die einfach blüht. Ohne Furcht. Ohne Erwartung. Ohne Angst oder mit einem Gedanken, dass sie ja bald wieder welken wird.

Das ist ein Weg und nur Du kannst und musst ihn gehen.

IMPULSE zur Wahrnehmung:

Der Verstand wird sich oft stark wehren: Er fährt Widerstände wie den inneren Kritiker und jeden anderen kleinen und großen Schweinehund auf. Das ist nicht schlimm, aber es gilt dies wahrzunehmen, nicht mitzuschwingen.

Vielleicht entspannst Du Dich zunächst ein paar Minuten:

Atme!

Schliesse Deine Augen, spüre die Unterlage auf der Du sitzt oder liegst oder stehst. Wenn Du merkst, daß Du beginnst anzukommen, öffne Deine Augen, aber greife nicht nach Eindrücken, sondern laß‘ sie auf Dich zukommen. Wo bist Du? Was siehst Du? Farben, Formen, Lichter, Schatten? Lass‘ sie auf Dich wirken. Sei wie eine Künstlerin, ein Künstler, der alles, ins besondere das Mondäne zum aller ersten mal erblickt.

ODER

 

  • Beginne mit einem Lied. Es ist ein Lied zum Mitsingen. Singe! Aktiviere Dein Leib-Sein: Ich atme tief.
  • Sprich‘ oder schreib ein Gebet: Sag‘ frei heraus wie es Dir gerade geht. Fang einfach an, ohne Punkt, Komma, Strich. Frei heraus. Schreib‘ den ganzen Kopfsalat aus Dir raus. Ab wann verändert sich vielleicht etwas in Dir, ab wann verändern sich die Inhalte? Die Qualität?

Überforderung, Orientierungslosigkeit, Verunsicherung, Unruhe, Rage, Trauer: Unsere Emotionen werden vor allem dann zum Problem, wenn wir uns gegen sie wehren. Wenn Du Deinen Leib spürst, findest Du auf der anderen Seite von Unruhe, Ruhe. Wenn Du Dich in Orientierungslosigkeit hinein entspannst , eine neue Richtung; im labil sein, eine neue Festigkeit.

  • Lass alle Bewertungen zu der derzeitigen/Deiner Situation/Deinem Nächsten weg. Starte direkt am Morgen. Es reicht es wahrzunehmen und STOP zu sagen. Immer wieder mal. Wie geht es Dir damit?
  • Wenn ein Unfrieden, eine Unruhe in Dir aufsteigt, lass‘ Dich!                            Halte inne, geh‘ eine Runde um den Block. Schweige. Spüre.                                 Projiziere das Unwohlsein nicht auf Deine Umwelt. Das ist nicht leicht, aber wieso sollte alles leicht sein?
  • Lasse dazu diesen guten Bibelvers auf Dich wirken:

Warum siehst du den Splitter im Auge deines Bruders, aber den Balken in deinem Auge bemerkst du nicht? Oder wie kannst du zu deinem Bruder sagen: Lass mich den Splitter aus deinem Auge herausziehen! – und siehe, in deinem Auge steckt ein Balken! Du Heuchler! Zieh zuerst den Balken aus deinem Auge, dann kannst du zusehen, den Splitter aus dem Auge deines Bruders herauszuziehen!

Finde immer wieder Wege Deine Lebendigkeit zu spüren, besonders in der Bedrängnis, die Dich hart werden lassen will! Katrin Kelly

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