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Der tote Bruder und das Auge, das wegschaut.

„Wozu ist es gut wegzuschauen?“

Atem – und Verdauungsprobleme.

Christian (Name geändert) lebt nur vorübergehend in dieser Stadt. Er sucht mich in meiner Praxis auf, weil er seit einem Ski Unfall vor 11 Jahren, bei dem er sich den Kiefer an mehreren Stellen gebrochen hatte,  mit vermehrt auftretenden Atem -und Magen-Darm-Problemen zu tun hat. Er kann kaum etwas essen, das er verträgt, hat aber die ganze Zeit grossen Hunger. Im Weiteren erzählt er, dass er fast wie getrieben umzieht und umherzieht. Er geniesst das durchaus, aber verspürt auch die Sehnsucht mehr zur Ruhe zu kommen. Das ‚Getriebene‘ loslassen zu können.

Ein Auge (das Rechte) driftet nach innen/unten ab. Mit 5 hatte er eine Augen-OP um das Auge ‚zu richten‘, aber das interessierte das Auge gar nicht: Kurz nach der OP driftet es wieder ab. Auffällig ist auch, dass er sich eher von der rechten Seite abwendet. Während er erzählt, entsteht in mir ein Bild von einem ungeborenem Baby, das grosse Angst verspürt und grossen Hunger hat.

Unsere erste Sitzung: Eileiter-Reise

In unserer ersten gemeinsamen Sitzung zeigt sich nach einer längeren Weile ein prä-natales Thema. Oft deutet sich das u.a. dadurch an, dass der Klient sich ‚ganz weit und tief weg‘ (aber nicht dissoziiert) fühlt und wie in einer ‚Flüssigkeit‘ ist. Ich lade Christian ein, so gut ihm das möglich ist, zurück zu spulen und Eindrücke aus der Zeit im Mutterleib auftauchen zu lassen. Wir landen bei seiner ‚Eileiter-Reise‘, die ich gern als HeldInnenreise bezeichne. Die befruchtete Eizelle (Blastozyste/ später Morula) wandert durch den Eileiter bis es einen grossen Abgrund (zur Gebärmutter) erreicht. Dort schlüpft es aus seiner sicheren Hülle (der Zone Pellucida, die übrigens Wunderschein aussieht) und springt in die Tiefe um einen Platz zu finden um sich einzunisten.

Christian spürt für sich: Dort ist es gefährlich: „Ich muss in Bewegung bleiben sonst sterbe ich hier!“ Kurz darauf folgt: „Hier bekomme ich nicht genug (Nahrung)!“  „Ich weiss nicht ob es reichen wird…!“

Er berichtet, dass seine Mutter während der Schwangerschaft eine schwere Depression hatte und  sie sich auch in Bezug auf das heranwachsende Kind ambivalent fühlte.

Nach dieser ersten Sitzung erlebt er einen Tag später Kraft und Glücksgefühle. Am zweiten Tag, sagt er, fiel er wie in eine Depression, die er aber diesmal gut beobachten konnte: „…als wenn es gar nicht seine wäre, sondern die seiner Mutter.“ Physisch ging‘ es ihm wesentlich besser: Er ass vor allem auswärts und hat alles gut vertragen.

Unsere zweite Sitzung: Warum ist es gut wegzuschauen?

Zu Beginn der zweiten Sitzung, zeigt sich mir bzw. drängt sich mir die Wichtigkeit des wegschauenden Auges auf. Ich bitte ihn das Auge zu fragen:           “ Warum ist es gut wegzuschauen?“ Ich spüre wie etwas in ihm diese Frage abwehren möchte und die Stimme des Widerstands antwortet:“ Das will ich lieber nicht wissen!“ Ich mache Christian darauf aufmerksam und wir erspüren, was hinter/in diesem Widerstand liegt: Es zeigt sich Angst und grosse Anspannung. Wir bleiben eine Weile damit da und arbeiten damit. Danach ist er bereit und stellt sich vor wie es wäre mal nach rechts zu schauen. Er erblickt ein Etwas: „Ein Auge mit Muskeln…wie einen Körper aber ohne Haut.“ Er ruft aus: “ Das ist eklig! Es stösst mich ab!“ Er möchte sich am Liebsten weiter abwenden. Ich sitze mittlerweile zu seiner linken Seite, denn ich wurde förmlich von der Rechten verdrängt – dort gibt es keinen Platz.

C: „Da ist jemand, der vor mir da war!“

K: „Was möchte er?“

C: „Weiss ich nicht…….er wollte auch leben!“

„Für ihn hat es wahrhaftig nicht gereicht. Er hat es nicht geschafft!“

„Er ist traurig!…. Er möchte einfach nur gesehen werden!….  Er sagt mir sogar seinen Namen…..“

Während wir sprechen geschieht ein körperlicher Ausdruck (Release) von Loslassen und Trauer: Es kommen Tränen, sein Körper zittert und zuckt manchmal…….dann kommt ihm etwas wie eine Eingebung: „Es ist als wäre er da geblieben um mich zu warnen oder zu erinnern…an den scheinbaren Fluch in unserer Familie gegen alle Männer……meine Mutter wollte auch keine Söhne…(selbst sein Name – hier nicht genannt- ist eine verweiblichte Version). Interessant ist evtl. auch, dass es durch einen Stoss von rechts zu seinem Skinunfall kam….

‚Der andere‘ wird nun kleiner und Christian fühlt sich präsenter und konkreter in seinem eigenem Körper.

Während ich die Sitzung durch Berührung abrunde, sagt er auf einmal: „Ich weiss jetzt wie es sich anfühlt ein Mann zu sein. Was für eine Kraft und Energie das ist …jenseits von Regeln, Konzepten.. es ist einfach eine Energie!“ Er lacht befreit auf. Ich lache mit!

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