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Warum Worte nicht reichen.
„…und wann sie hilfreich sein können!“
Warum Worte nicht reichen.
Das Worte oft nicht reichen, ist Dir sicherlich nicht neu. Du kennst die Momente im Leben, in denen ein ‘Gut-zu-reden’, sei es durch andere oder durch Dich selbst, nur einen kurzen Moment der Erleichterung oder des Mutes bringen, aber nicht nachhaltig in Dein Leben hinein wirkt.
Kaum ist der Moment vorbei, zeigen sie sich wieder: Die Zweifel, die Ängste, die Starre oder die körperlichen Beschwerden, für die es doch scheinbar keinen Grund (mehr) gibt. Du kannst analysieren und reflektieren was das Zeug hält. Du kannst Dein Verhalten vielleicht sogar ganz genau Deinen (frühen) Lebensthemen zuordnen, aber trotzdem verändert sich nichts. Du bleibst beziehungslos mit einer grossen Sehnsucht nach Nähe oder bleibst in Beziehung, obwohl Du in ihr keinen Raum hast. Scheinbar leichte Entscheidungen kreieren dicke Knoten im Kopf oder Du stolperst orientierungslos von einer zur Nächsten.
Oft machen wir uns dann Vorwürfe. Wir fühlen uns mangelhaft, unfähig und ungenügend. Aber warum das nicht wahr ist, beschreibe ich im Folgenden.
Woran liegt es, dass Worte nicht reichen?
Wenn ich ein Bild malen würde, dann würde es einen Körper zeigen, an dem ein Schwall von Worten abprallt und auf dem Boden landet.
Neurobiologisch lautet die Antwort: Implizites Gedächtnis bzw. Leibgedächtnis.
Das implizite Gedächtnis ist jener Teil des Gedächtnisses, der sich auf Erleben und Verhalten des Menschen auswirkt, ohne dabei ins Bewusstsein zu treten. Der Begriff dient der Abgrenzung zum expliziten Gedächtnis, das unter anderem das autobiographische oder Episodengedächtnis enthält, also Gedächtnisinhalte, über die verbal berichtet werden kann.“ (Wikipedia)
Bewusste, also explizite Gedächtnisinhalte, werden im Hippocampus abgespeichert und sind kognitiv abrufbar. Diese Hirnregion ist allerdings erst mit Ende des dritten Lebensjahres ausgereift. Alle Erfahrungen, die wir also vorgeburtlich bis zu unserem dritten Lebensjahr machen, werden im Stammhirn gespeichert und wirken dann über das implizite Gedächtnis kraftvoll in unser Leben hinein: Sie prägen unser gesamtes Verhalten, unsere Beziehungs – und Bindungsfähigkeit und ganz allgemein wie wir in der Welt sind bzw. auf diese reagieren und erleben. Zusammenfassend kann man sagen: Wie Du im Hier und Jetzt auf etwas in Beziehung reagierst, kommt aus Deiner Vergangenheit.
Teilweise werden auch Schocktraumen, die nach dem dritten Lebensjahr erfahren werden, implizit gespeichert und zwar dann, wenn die Bedrohung von unserem Nervensystem als so gross eingestuft wird, dass sich der ‚Totstellreflex‘ einstellt. Die Verbindung zum Hippocampus wird dann ‚gekappt‘. Das Stammhirn entscheidet, da ihm die Entscheidungsfindung vom Kortex zu lange dauert. Resultierend kann diese Erfahrung nicht genau in unserem Gedächtnis gespeichert und katalogisiert werden. Stattdessen wird sie abgespalten und fragmentiert.Das Geschehene nicht als ‚vergangen‘ eingestuft werden und wirkt in unserem Nervensystem als wäre es weiterhin im Jetzt.
Wenn diese ersten Erfahrungen von Deinem Nervensystem (Stammhirn) als bedrohlich/traumatisch eingestuft wurden, wird es sicher stellen, dass Du nie wieder in so eine Situation kommen wirst, denn seine Aufgabe ist es, jegliche Gefahr von Dir fern zu halten. Was Dein frontaler Kortex dazu sagt („das ist doch nur X, den mag ich doch!“), ist ihm völlig wurscht.
Beispiel: Du sehnst Dich nach Nähe, aber sobald sich die Möglichkeit dazu ergibt, erträgst Du diese kaum, denn Dein Leibgedächtnis hat vielleicht abgespeichert: „Nähe ist gefährlich“, „bei zu viel Nähe verliere ich die Orientierung zu mir selbst, das ist (gefühlt) lebensbedrohlich“. Nun musst Du Dich entweder ganz fest machen, um die Nähe auszuhalten oder fliehen. Beides entspricht natürlich nicht Deinem tiefen Bedürfnis nach gelebter Nähe. Gedanken, die dann daraus resultieren: „Siehst Du! Mit Dir stimmt etwas nicht!“ oder „Ich kann keine Beziehung aufrecht erhalten!“ „Dann habe ich in Zukunft halt nur Sex ohne Beziehung…“ Der Kopf kreiert ganze Romane dazu, eine ganz eigene Identitätsgeschichte, die immer abgerufen wird, wenn das Stammhirn reagiert.
Das erklärt, warum Du immer wieder in die gleichen Muster fällst, Dir selbst die einfachsten Entscheidungen wahnsinnig schwer fallen oder Du in eine Starre fällst oder dissoziierst, wenn Dir jemand zu nah kommt oder Du Dich vielleicht sofort abgelehnt fühlst und disproportional darauf reagierst, wenn Dein Partner sich ein wenig mehr Freiraum wünscht oder er gerade nicht kuscheln mag…
Für mich persönlich zeigte sich diese Ambivalenz lange in einem fast starrem aufrecht erhalten wollen von Autonomie, die auf andere oft wirkte als sei ich ein Snob oder ‚kühl‘ und distanziert. Gleichzeitig wirkte mein frühes Erleben, mit seinen Wunden und ungestillten Bedürfnissen nach ‚gehalten werden‘, nach Sicherheit und Beständigkeit so wie nach grosser Langsamkeit, in mein Leben hinein.
Diese Dissonanz zwischen (nach außen getragener) Persönlichkeit, den entwickelten Kompensationsstrategien und frühem Erleben verursacht oft Verwirrung. Bzw. wirkt es sich oft verquer in unseren Alltag und unser Bindungsverhalten hinein. Nehmen wir als Beispiel eine intime (Liebes-)Beziehung. Statt einer ‚gesunden‘ Reihenfolge, verkehren wir sie oft ins Gegenteil:
Sicherheit – Kontakt – Nähe – Bindung versus Bindung-Nähe Kontakt Sicherheit?
Statt eines längeren Kennenlernens und damit einem Erforschen von Sicherheit im Kontakt kommt es sofort zu Nähe (Sex). Erst dann stellen wir fest, dass dieser Kontakt gar nicht sicher ist, aber es ist schon eine Form von Bindung entstanden.
Wirkliche Veränderung wird erst durch unseren Körper möglich. Die Arbeit mit Empfindungen ist das Eingangstor zum impliziten Gedächtnis.
Der Begriff Leibgedächtnis deutet schon an, dass wir nur über unseren Leib, also das Erleben (und nicht sprechen über) von Empfindungen, rein körperlichen, mental oder emotional eingefärbten Empfindungen Zugang zum impliziten Gedächtnis bekommen werden. Wir werden vielleicht nie ‚die ganze Geschichte‘ dazu erfassen können, wie gern unser Verstand dies auch hätte, aber wichtig für Heilung und Integration ist: „Trauma ist im Körper, nicht in der Geschichte.“
In meiner Arbeit mit Dir geht es darum, Dich (zurück) in Dein körperliches Erleben zu begleiten. Viele Menschen sind entweder noch nie vollständig in ihrem Körper gelandet oder sind so getrennt von ihm, dass der Eindruck entsteht, der Körper sei dazu da den Kopf durch die Welt zu tragen.
Wenn wir mit Deinen Empfindungen, die gegenwärtig in Dir präsent sind bzw. die zu einem bestimmten Thema auftauchen, wie zum Beispiel Aufregung, Enge, Schwere oder auch ein Gefühl des Getrennt-seins, der Dissoziation, erhalten wir nicht nur Zugang zu Deiner Gegenwart, sondern auch zu dem, was aus Deiner Vergangenheit in Deine Gegenwart hineinwirkt.
Letztlich geht es darum, Dich aus dieser ambivalenten Spannung zwischen dem, was aus dem impliziten Gedächtnis heraus wirkt und was Du versucht hast dem als Strategie entgegenzusetzen bzw. überzustülpen um funktionieren zu können, zu befreien bzw. heilsam zu integrieren. Dabei löst sich die Spannung und Dein Wesen kann sich nach und nach entfalten und eine neue Geschichte schreiben.
Wann Worte hilfreich sind.
Worte und Wissen können für hochsensible und/oder traumatisierte Menschen manchmal extrem hilfreich sein, denn sie haben häufig die Orientierung verloren. Sie können kaum zwischen dem, was in ihnen oder im Außen vor sich geht, differenzieren und daher auch nicht als sicher oder nicht sicher einordnen. Alles verschwimmt wie in einem diffusen Nebel und wirkt dadurch natürlich bedrohlicher. Warst Du mal in einem dunklen Haus oder Keller und hast Dich kaum getraut einen Fuß vor den anderen zu setzen? ins Dunkle lauschend während Du Dein Blut in den Ohren rauschen hörtest? Plötzlich ging ein Licht an. Du konntest Dich wieder orientieren und eine leichten Fußes den Raum verlassen. Das ist unglaublich erleichternd und entlastend.
Hierbei handelt es sich dann nicht um ‚Ratschläge‘, sondern zunächst um ein Benennen und Spiegeln von dem, was und wie sie sich erleben. Das gibt eine erste Orientierung zurück. Das Diffuse wird konkreter, denn Orientierung hilft uns, uns klarer in Zeit und Raum, in unserem Körper und Umwelt zu verorten. Das gibt Sicherheit.
Weiterhin kann es wichtig sein zu erklären, dass ihr Verhalten, dass sie selbst, nicht fehlerhaft oder gar freaky sind, sondern, dass ihr Zustand zum Beispiel ‚nur‘ etwas mit ihrer neurobiologischen Antwort auf Trauma ist.
Mit körperorientierten Grüßen!
©Katrin Kelly